Es ist da!

Titelbild von Matthias Röhr,: Der Lange Weg zum Internet

Vor ein paar Tagen ist (endlich!) meine Dissertation als gedrucktes Buch (& als E-Book) erschienen. Mehr Infos beim Verlag.

Oder direkt bei Amazon, Thalia oder Eurobuch.

Neuer Podcast über „Coding History“

Daniel Meßner hat ein neues Podcastprojekt gestartet. „Coding History“

Coding History widmet sich der Geschichte von Software und ihrer Programmierung. (…) Mir geht es mit diesem Projekt darum, besser zu verstehen, wie die digitale Welt geworden ist, wie sie ist und wie sie sich und ihre Um-Welt verändert.

Ich halte diese Perspektive für sehr gewinnbringend, da sie den Blick für die Bedeutung von Software und ihre Historizität öffnet. Folgt man dem Diktum von Lawrence Lässing „Code is Law“, das Software und weniger klassische Gesetze die eigentlichen Regeln in der digitalen Welt aufstellen, kann eine Historisierung von Softwareentwicklung vielleicht besser beim Verständnis der Gegenwart helfen als klassische Politikgeschichte. Insofern wüsche ich Daniel sehr viel Erfolg mit dem Projekt.

Ich hatte bislang erst Zeit, Folge 2 über den 31C3 zu hören, die ich aber bereits sehr interessant fand, auch wenn sie sich nur sehr am Rand mit der Geschichte des Programmierens befasst. Folge 1 mit Caspar Clemens Mierau über die Geschichte und Rolle von digitalen Entwicklungsumgebungen scheint mehr in die Materie zu gehen.

 

Kurz Verlinkt: Jan Hecker-Stampehl über digitale Geschichte und Geschichtsswissenschaft

In der letzten Episode des von mir hochgeschätzten Podcasts „Stimmen der Kulturwissenschaften“ (direkt mp3|ogg) spricht Jan Hecker-Stampehl über digitale Geschichte und Geschichtswissenschaften.

Wichtig fand seinen Hinweis, das die Digitalisierung weniger neue (geisteswissenschaftliche) Methoden hervorbringt, sondern sich mehr auf die Kommunikation über Geschichte auswirkt – ein Umstand, auf den die professionelle Geschichtswissenschaft reagieren muss, um nicht den Rest ihrer gesellschaftlichen Bedeutung zu verlieren. Gerade deshalb sind Blogs und Projekte wie @9Nov38 für die Geschichtswissenschaft so wichtig, weil sie den akademischen Diskurs öffnen.

Ich widerspreche allerdings Jans Behauptung, dass Historiker nicht programmieren können müssen. Das mag bislang zwar noch so sein, aber spätestens, wenn wir es mit rein digitalen Quellen („digital born“) zu tun bekommen, sollte ein Historiker genau wissen, wie diese Quellen entstanden sind und was sie eigentlich aussagen können. Oder kurz gesagt: In Zukunft wird auch die Informatik ein Werkzeug des Historikers sein!

BBS: The Documentary – Dokumentation über die amerikanische Mailboxszene der 1980er

Schon lange bevor das Internet Mitte der 1990er seinen Weg von den Universitäten und Forschungsinstitutionen in die privaten Haushalte fand, waren viele Heimcomputer „online“. Privat betriebene Mailboxen boten schon in den 1980ern die Möglichkeit, elektronische Nachrichten zu versenden, Software runter zu laden oder sich in langwierigen Flamewars Diskussionen zu verlieren. Solche Mailboxen, im englischsprachigen Raum auch als „bulletin board systems“ (BBS) bekannt schufen die erste Inkarnation einer digitalen Öffentlichkeit für den privaten Nutzer – zumindest in den USA. In der Bundesrepublik erschwerte bis 1990 das Endgerätemonopol der Bundespost eine ähnliche Mailboxkultur wie in den USA, ohne die Genehmigung der Post durfte man hier bis 1990 keine Modems an das Telefonnetz anschließen.

Die Geschichte der amerikanischen Pioniere der digitalen Öffentlichkeit wurde bereits 2005 von Jason Scott Sadofsky in einer sehenswerten achtteiligen Dokumentation festgehalten. In den Interviews mit den Akteuren von damals wird deutlich, wie die technische Möglichkeit, einen Heimcomputer mithilfe des Telefonnetzes miteinander zu verbinden, eine Subkultur hervorgebracht hat, in der viele Phänomene, die wir heute durch den transformativen Charakter des Internets in größeren Maßstab wahrnehmen, bereits in kleineren Umfang auftraten.

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Der „Long-Tail“ der Wissenschaft

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Visualisierung des „Long Tails“. Sowohl die grüne Fläche mit den „Bestsellern“ und die gelbe Fläche mit den Nischenprodukten sind gleich groß.

Im Jahr 2004 hat der US-Journlist und damalige Chefredakteur Wired Chris Anderson mit einem Buch die Theorie des „Long Tails“ populär gemacht. Im Internet, so der Kern dieser Theorie, kann auch der Handel mit Nischenprodukten gewinnbringend sein, schließlich hat man insbesondere bei virtuellen Gütern (z. B. Bücher und Musik) nur sehr geringe Herstellungs-, Lager- und Vertriebskosten, während man gleichzeitig eine sehr große Zahl an potenziellen Kunden in aller Welt ansprechen kann.

Ein sehr lesenswerter Beitrag von Klaus Graf hat mich nun auf den Gedanken gebracht, dass dies ganz ähnlich auch für die (Geschichts-)Wissenschaft gilt. In dem Beitrag argumentiert Graf, dass es besser wäre, wenn alle in Deutschland angefertigten Qualifikationsschriften, also Bachelor- und Masterarbeiten, Dissertationen und Habilitationen im Internet als Open-Access veröffentlicht werden, anstatt als Pflichtexemplare in Universitätsbibliotheken zu versauern oder als überteuerte Print-On-Demand-Bücher zum Teil fragwürdige Verlage zu finanzieren.

In den Kommentaren meines Post zur #digigw2013 (der Auftakttagung der „AG Digitale Geschichtswissenschaft“ des deutschen Historikerverbandes) habe ich einen ähnlichen Gedanken entwickelt. Um Studierende damit vertraut zu machen, dass Wissenschaft ein öffentlicher Prozess ist, halte ich es für sinnvoll, bereits für Masterarbeiten eine elektronische(!) open-access(!) Veröffentlichungspflicht  in den Prüfungsordnungen festzulegen. Wie Klaus Graf ausgeführt hat, haben angenommene Masterarbeiten, bereits eine Art „Peer-Review“ durch die Prüfer hinter sich, erfüllen also wissenschaftliche Mindeststandards. Eine Überarbeitung, z. B. mit Hinweisen der Prüfer, zwischen Abgabe und Veröffentlichung der Arbeit sollte aber möglich sein.

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„Der Mikroprozessor könnte tatsächlich der Schlüssel zu Utopia werden“ (Club of Rome, 1982)

https://stummkonzert.de/wp-content/uploads/2012/11/cover_club_of_Rome_1982.jpgFundstück aus dem Bericht an den Club of Rome zum Thema Mikroelektronik (1982):

„Der Mikroprozessor ist vielversprechend, weil er sich überall in der Automation in Industrie und im Tertiärsektor einsetzen läßt und damit die Produktivität in einem Maß gesteigert werden kann, daß es möglich sein sollte, alles, was ein Land braucht – Verteidigung, Gesundheits- und Erziehungswesen, Ernährung und Wohlfahrt -, bereitzustellen und jedermann einen einigermaßen hohen Lebensstandard zu gewährleisten, ohne die Ressourcen unseres Planeten zu erschöpfen oder zu vermindern; und all das mit einem Bruchteil der heute aufgewendeten physischen Arbeitsleistung. Anfangs wird es um die Eliminierung schmutziger, stumpfsinniger, repetitiver und gefährlicher Arbeiten gehen sowie um die Einführung kürzerer Wochen- und Lebensarbeitszeit. Später dann könnte sich der Weg zu einer Gesellschaft auftun, in der der einzelne Zeit, Mittel und Möglichkeiten hat, seinen spezifischen Interessen nachzugehen und Erfüllung darin zu finden: in Kunst, Wissenschaft, Handwerk, Erziehung, Sport oder auf anderen Gebieten. Dies könnte zur faktischen Abschaffung der Armut und der Tyrannei der Arbeit führen. Der Mikroprozessor könnte tatsächlich der Schlüssel zu Utopia werden.“

Aus: Alexander King, Einleitung: Eine neue industrielle Revolution oder bloß eine neue Technologie?, in: Günter Friedrichs/Adam Schaff (Hrsg.), Auf Gedeih und Verderb. Mikroelektronik und Gesellschaft. Bericht an den Club of Rome, Wien u.a. 1982, S. 11–47, hier S. 37.

Aus der Geschichte des Chaos Computer Clubs – “NASA-Hack„ und „KGB-Hack“

Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Tagen. Alle bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden. Die hier beschrieben Ereignisse sind bis heute teilweise stark umstritten und Gegenstand von Verschwörungstheorien. Die folgenden Ausführungen stellen keinen Versuch einer umfassenden Klärung dar, sondern sollen lediglich eine kurze Skizzierung der unstrittigen Ereignisse sein.

Die Kette von Ereignissen um das Eindringen westdeutscher Hacker in die Computer großer europäischer und amerikanischer Organisationen, die gegen Ende der 1980er Jahre den Chaos Computer Club immer wieder in die Medien brachte, hatte maßgeblichen Einfluss darauf, dass sich der seit dem Btx-Hack 1984 verbreitete Mythos um den Chaos Computer Clubs noch weiter verfestigte und verbreitete. Dieser Mythos verortet die Geschichte des Clubs irgendwo zwischen einer Robin-Hood und einer Till-Eulenspiegel-Erzählung, in welcher der Club den Mächtigen durch technische und intellektuelle Überlegenheit immer einen Schritt voraus ist und sie mit ihren eigenen Herrschaftsmitteln – ihren Computern – schlägt und zur allgemeinen Belustigung vorführt.

Die als „NASA-„ oder „KGB-Hack“ bezeichneten Vorgänge waren schon unmittelbar darauf das Thema von Büchern1Vgl. Hafner, Katie; Markoff, John: Cyberpunk. Outlaws and Hackers on the Computer Frontier. New York u.a. 1991; Stoll, Clifford: Kuckuksei. Frankfurt a. M. 1991. Zuerst auf Englisch als: The Cuckoo’s Egg. Tracking a Spy Through the Maze of Computer Espionage. New York 1989; Ammann, Thomas; Lehnhardt, Matthias; Meißner, Gerd; Stahl, Stephan: Hacker für Moskau. Deutsche Computer-Spione im Dienst des KGB. Reinbek 1989 und wurden 1999 sogar verfilmt.2 23 – Nichts ist so wie es scheint. Regie Hans-Christian Schmid. Deutschland 1998. Die Hintergründe sind auch als Buch veröffentlicht: Schmidt, Hans-Christian; Gutmann, Michael: 23. Die Geschichte des Hackers Karl Koch. München 1999. An dieser Stelle kann den vielfältigen Hintergründen und den Motiven der einzelnen Akteure nicht Detail hinterher gegangen werden. Da die Vorgänge jedoch dazu geführt haben, dass die Hamburger Gruppe um Wau Holland und Steffen Wernéry im Konflikt auseinanderging und auch dazu beigetragen haben, dass es ab 1989 stiller um den CCC wurde, müssen sie hier kurz skizziert werden.

Das Betriebssystem VMS der Firma Digital Equipment Corporation (DEC) für ihre Computer des Typs VAX enthielt seit 1986 ein Fehler, der das Einschleusen eines als „Trojanisches Pferd“ bezeichnetes Programm ermöglichte, mit dem das Benutzerkonto eines privilegierten Benutzer übernommen werden konnte.3Vgl. die Darstellung der Sicherheitslücke in der Datenschleuder: Bits, Bugs & Vaxen. In: Die Datenschleuder 23, Oktober 1987, S. 4f. Auch in: Hackerbibel 2, S. 222. Von dem Folgen des Fehlers war besonders das europäische Kernforschungszentrum CERN betroffen, das seit Februar 1986 verstärkt unbefugte Besucher über Datex-P auf ihren VAX-Rechnern feststellte. Die interne Klage über das Eindringen in die Rechner des CERN wurde bereits im September 1986 in der Datenschleuder veröffentlicht. Darin heißt es: “[T]here seems to be a club based in Germany called the ›chaos club‹ whose collective hobby is hacking systems connected to public X25 [Datex-P, MR] networks.”4Security Against Hackers. In: Die Datenschleuder 16, September 1986, S. 4f. Auch in: Hackerbibel 2, S. 159.

Etwa zur gleichen Zeit beobachtete Clifford Stoll in Berkeley ebenfalls ein unerlaubtes Eindringen in die Computersysteme seines Forschungsinstituts. Anstatt die Sicherheitslücke einfach zu schließen, versuchte er den Eindringling aufzuspüren. Nach knapp einem dreiviertel Jahr und mithilfe verschiedenster Organisationen wie dem FBI, der CIA, der NSA, dem amerikanischen Militärgeheimdienst OSI und dem BKA gelang es ihm Sommer 1987 schließlich, den Fall auf Markus Hess aus Hannover zurückzuführen. Am 23. Juli 1987 wurde Hess Wohnung in Hannover durchsucht.5Stoll hat sein Vorgehen beim Aufspüren des Eindringlings zunächst als Artikel veröffentlicht, vgl. Clifford Stoll: Stalking the Wily Hacker. In: Communications of the ACM 5/31 (Mai 1988), S. 484-500. Später hat er die Geschichte vor allem in Deutschland als sehr erfolgreiches Buch veröffentlicht: Stoll: Kuckuksei.

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Der Chaos Computer Club 1986 bis 1988 – Vereinsgründung, Volkszählung und die maschinenlesbaren Regierung

Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Tagen. Alle bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden.

Das Jahr 1986 stand für den Club im Zeichen befürchteter juristischer Auseinandersetzungen. Am 1. August 1986 trat das zweite Wirtschaftskriminalitätsgesetz in Kraft, welches das Strafgesetzbuch änderte. Von nun an war das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) ebenso unter Strafe gestellt wie ihr rechtswidriges Ändern (§ 303a StGB) oder die Sabotage von Computern (§ 303b StGB). Vom Club wurde damals befürchtet, dass die Strafrechtsänderungen Auswirkungen auf ihn haben könnten, und dass er von der Polizei als eine kriminelle Vereinigung eingeschätzt werden könnte, die zu Straftaten aufruft oder selbst welche begeht. Um dies zu verhindern, gründete der Club im Frühjahr 1986 einen eingetragenen Verein, der künftig die rechtliche und finanzielle Grundlage für ihr Handeln liefern sollte. In der Datenschleuder wurde die Satzung des Chaos Computer Clubs e. V. abgedruckt. Dort heißt es in der Präambel:

„Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Rasse sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt und mit den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen beschäftigt und das Wissen um diese Entwicklung fördert.“1. Satzung des Chaos Computer Clubs. In: Die Datenschleuder 16, September 1986, S. 4f. Auch in: Hackerbibel 2, S. 160.

Die in der Präambel formulierten Ziele sollten laut der Satzung durch regelmäßige Veranstaltungen, Treffen und Telefonkonferenzen, der Herausgabe der Datenschleuder und Öffentlichkeitsarbeit in allen Medien erreicht werden. Außerdem wollte der Verein seine Ziele durch „Informationsaustausch mit den in der Datenschutzgesetzgebung vorgesehenen Kontrollorganen“2Satzung des Chaos Computer Clubs, S. 4. sowie „Hacken“ und der Beratung seiner Mitglieder in technischen und rechtlichen Fragen erreichen. Die bereits bestehenden Gruppierungen in anderen Städten wurden als „Erfahrungsaustauschkreise“ (Erfa-Kreise) in die Satzung aufgenommen.3Vgl. Satzung des Chaos Computer Clubs, S. 5.

Die Satzung musste jedoch bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Herbst 1986 geändert werden, da das Finanzamt der Auffassung war, das „Hacken“ keine gemeinnützige Tätigkeit sei. Die Mitgliederversammlung beschloss daraufhin, den umstrittenen Punkt mit „Förderung des schöpferisch-kritischen Umgangs mit Technologie“ zu ersetzen und gleichzeitig klarzustellen, was sie unter dem Begriff „Hacken“ verstand.4Vgl. Mitgliederversammlung des CCC e. V. vom 8. 11. 1986. In: Die Datenschleuder 17, Dezember 1986, S. 7. Auch in: Hackerbibel 2, S. 169.

Die Vereinsgründung bedeutete auch ein neues Selbstverständnis des Clubs. Er sah sich jetzt verstärkt als ein Forum und Sprachrohr der westdeutschen Hackerszene, der durch seine Bekanntheit Öffentlichkeit herstellen und Schutz vor Strafverfolgung bieten konnte.

„Der Chaos Computer Club gilt in der Öffentlichkeit als eine Art Robin Data, vergleichbar mit Greenpeace, Robin Wood und anderen. Spektakuläre Aktionen, wie beispielsweise der Btx-Coup, […] werden als nachvollziehbare Demonstrationen über Hintergründe im Umgang mit der Technik verstanden. Der CCC hat damit eine aufklärerische Rolle für den bewußten Umgang mit Datenmaschinen übernommen. […] Durch dieses Image in der Öffentlichkeit, hat sich der CCC in den letzten Jahren einen Freiraum erkämpft, in dem unter gewissen Voraussetzungen Hacks möglich sind, die Einzelpersonen in arge Schwierigkeiten bringen würden. […] Gleichzeitig besteht wegen der gesellschaftlichen Aufgabe des CCC die Notwendigkeit, einer Kriminalisierung von Hackern entgegenzuwirken.“5(Jürgen Wieckmann): Thema Hacken. Ein Statement. In: Die Datenschleuder 17, Dezember 1986, S. 7. Auch in: Hackerbibel 2, S. 169.

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Der Chaos Computer Club 1985 und 1986 – Hackerbibeln, Datenklo und der Vorwerk-Fall

Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Tagen. Alle bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden.

Die Kritik der Gruppe Schwarz & Weiß traf zumindest in einem Punkt zu. Seit dem Btx-Hack war der CCC bei den Medien gefragt und war sogar beim ZDF Jahresrückblick „Menschen 84“ zu Gast.1Vgl. Gruppe Schwarz & Weiß: Wo bleibt das Chaos? In: taz hamburg, 22. Februar 1985, S. 15. Auch die Buchverlage witterten, dass das Thema Hacker in Westdeutschland ein interessantes Thema sein könnte. Im Frühjahr 1985 kamen daher zwei Taschenbücher auf den Markt, die sich mit der deutschen Hackerszene auseinandersetzen und bei denen jeweils der Chaos Computer Club im Mittelpunkt stand.

Im Rowohlt-Verlag erschien im Februar ein Buch des konkret-Autors Werner Heine2 Heine hatte für die konkret bereits Anfang 1984 Wau Holland interviewt. Vgl. Holland: So wird „gehackt“., das „Die Hacker. Von der Lust, in fremden Datennetzen zu Wildern“3 Werner Heine: Die Hacker. Von der Lust, in Fremden Datennetzen zu Wildern. Reinbek 1985. hieß. Darin porträtiert der Autor den CCC als eine Gruppe von Menschen, die die Macht des Computers verstanden hätte, und denen es jetzt darum ginge, diese Macht ad absurdum zu führen. So soll Wau Holland laut Heine bei einer Fahrscheinkontrolle einmal seinen transportablen Computer herausgeholt und die Dienstnummer des Kontrolleurs eingegeben haben – dies allein hätte genügt, um die gefühlte Machtverteilung in dieser Situation völlig umzudrehen.

Dennoch würde der CCC laut Heine keine Politik machen, denn dies würde gemeinsames Handeln nach Regel erfordern, was den individualistischen Mitgliedern des CCC fremd sei. Heine weiter:

„Wenn Wau und die anderen trotzdem für etwas kämpfen, dann ist es das Recht auf ungehinderte Kommunikation. ›Die neuen Technologien‹, sagt Wau, ›sind Bürgersteige, auf denen wir das Wegerecht beanspruchen.‹“4Werner Heine: Die Hacker, S. 14f. Das zweite Buch, das Anfang 1985 auf den Markt kam, war „Die Hacker sind unter uns. Heimliche Streifzüge durch die Datennetze“ von Thomas Ammann und Matthias Lehnhardt. Die beiden Journalisten beschreiben darin einige der Aktionen des CCC und beschreiben im Stil einer Reportage ihre Reise in die Hackerszene, im Kapitel „Kabelsalat mit Hack“ setzen sie sich auch mit der erst kurzen Geschichte der Hacker in Westdeutschland und dem Chaos Computer Club auseinander, jedoch ohne im besonderen auf die Ziele des Clubs einzugehen, vgl. Thomas Ammann, Matthias Lehnhardt: Die Hacker sind unter uns. Heimliche Streifzüge durch die Datennetze. München 1985.

Aber auch der Club selbst war 1985 publizistisch tätig. Das Angebot einiger Verlage, ein Buch des CCCs zu verlegen, lehnte Wau Holland jedoch ab. Da er seit Längerem die Zeitschriften und Bücher des alternativen Verlegers Werner Piper las, wandte er sich an Pieper, um eine „Hackerbibel“ zu produzieren, die im Herbst 1985 erschien. Die Hackerbibel sollte die bisherigen Aktionen des Clubs dokumentieren und „das gesammelte Gedankengut verbreiten, um angefangenes fortzuführen und neues zu kreieren“5 Chaos-Team: Vorwort zu ersten Auflage. In: Hackerbibel 1, S. 9.. Im Sommer 1988 folgte im gleichen Format ein zweiter Teil der Hackerbibel.6Vgl. Chaos Computer Club: Die Hackerbibel 2. Das Neue Testament. Löhrbach 1988.

Deckblatt der Hackerbibel 1
Deckblatt der ersten Hackerbibel.

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