Podiumsdisskusion zum 30igsten Jahrestag des BTX-Hacks

Zum 30sten Jahrestag des BTX-Hacks am 17. November hat die Wau-Holland-Stiftung eine Podiumsdiskussion veranstaltet, dessen Aufzeichnung hier zu sehen ist.

Während mit Steffen Wernéry einer der Protagonisten des BTX-Hacks auf dem Podium saß, war mit Erich Danke (WP) ein Vertreter der „alten“ Bundespost anwesend, der maßgeblich an der Einführung von BTX beteiligt war. Es hätte also spannend werden können. Wurde es aber nicht.

Während Wernéry weiter am Mythos des CCC und des BTX-Hacks strickte und keine neuen Details zu Ablauf preisgab, konnte Danke ebenfalls nicht zur Aufklärung der technischen Zusammenhänge beitragen. Die Post scheint sich bei BTX weitgehend auf IBM verlassen zu haben, selbst bei Fragen der Verschlüsselung. Zu den Hintergründen von BTX sagte er nichts.

Interessanter als das Podium ist allerdings das Begleitmaterial der Wau-Holland-Stiftung „aus dem Hackerarchiv„.

Aus der Geschichte des Chaos Computer Clubs – “NASA-Hack„ und „KGB-Hack“

Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Tagen. Alle bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden. Die hier beschrieben Ereignisse sind bis heute teilweise stark umstritten und Gegenstand von Verschwörungstheorien. Die folgenden Ausführungen stellen keinen Versuch einer umfassenden Klärung dar, sondern sollen lediglich eine kurze Skizzierung der unstrittigen Ereignisse sein.

Die Kette von Ereignissen um das Eindringen westdeutscher Hacker in die Computer großer europäischer und amerikanischer Organisationen, die gegen Ende der 1980er Jahre den Chaos Computer Club immer wieder in die Medien brachte, hatte maßgeblichen Einfluss darauf, dass sich der seit dem Btx-Hack 1984 verbreitete Mythos um den Chaos Computer Clubs noch weiter verfestigte und verbreitete. Dieser Mythos verortet die Geschichte des Clubs irgendwo zwischen einer Robin-Hood und einer Till-Eulenspiegel-Erzählung, in welcher der Club den Mächtigen durch technische und intellektuelle Überlegenheit immer einen Schritt voraus ist und sie mit ihren eigenen Herrschaftsmitteln – ihren Computern – schlägt und zur allgemeinen Belustigung vorführt.

Die als „NASA-„ oder „KGB-Hack“ bezeichneten Vorgänge waren schon unmittelbar darauf das Thema von Büchern1Vgl. Hafner, Katie; Markoff, John: Cyberpunk. Outlaws and Hackers on the Computer Frontier. New York u.a. 1991; Stoll, Clifford: Kuckuksei. Frankfurt a. M. 1991. Zuerst auf Englisch als: The Cuckoo’s Egg. Tracking a Spy Through the Maze of Computer Espionage. New York 1989; Ammann, Thomas; Lehnhardt, Matthias; Meißner, Gerd; Stahl, Stephan: Hacker für Moskau. Deutsche Computer-Spione im Dienst des KGB. Reinbek 1989 und wurden 1999 sogar verfilmt.2 23 – Nichts ist so wie es scheint. Regie Hans-Christian Schmid. Deutschland 1998. Die Hintergründe sind auch als Buch veröffentlicht: Schmidt, Hans-Christian; Gutmann, Michael: 23. Die Geschichte des Hackers Karl Koch. München 1999. An dieser Stelle kann den vielfältigen Hintergründen und den Motiven der einzelnen Akteure nicht Detail hinterher gegangen werden. Da die Vorgänge jedoch dazu geführt haben, dass die Hamburger Gruppe um Wau Holland und Steffen Wernéry im Konflikt auseinanderging und auch dazu beigetragen haben, dass es ab 1989 stiller um den CCC wurde, müssen sie hier kurz skizziert werden.

Das Betriebssystem VMS der Firma Digital Equipment Corporation (DEC) für ihre Computer des Typs VAX enthielt seit 1986 ein Fehler, der das Einschleusen eines als „Trojanisches Pferd“ bezeichnetes Programm ermöglichte, mit dem das Benutzerkonto eines privilegierten Benutzer übernommen werden konnte.3Vgl. die Darstellung der Sicherheitslücke in der Datenschleuder: Bits, Bugs & Vaxen. In: Die Datenschleuder 23, Oktober 1987, S. 4f. Auch in: Hackerbibel 2, S. 222. Von dem Folgen des Fehlers war besonders das europäische Kernforschungszentrum CERN betroffen, das seit Februar 1986 verstärkt unbefugte Besucher über Datex-P auf ihren VAX-Rechnern feststellte. Die interne Klage über das Eindringen in die Rechner des CERN wurde bereits im September 1986 in der Datenschleuder veröffentlicht. Darin heißt es: “[T]here seems to be a club based in Germany called the ›chaos club‹ whose collective hobby is hacking systems connected to public X25 [Datex-P, MR] networks.”4Security Against Hackers. In: Die Datenschleuder 16, September 1986, S. 4f. Auch in: Hackerbibel 2, S. 159.

Etwa zur gleichen Zeit beobachtete Clifford Stoll in Berkeley ebenfalls ein unerlaubtes Eindringen in die Computersysteme seines Forschungsinstituts. Anstatt die Sicherheitslücke einfach zu schließen, versuchte er den Eindringling aufzuspüren. Nach knapp einem dreiviertel Jahr und mithilfe verschiedenster Organisationen wie dem FBI, der CIA, der NSA, dem amerikanischen Militärgeheimdienst OSI und dem BKA gelang es ihm Sommer 1987 schließlich, den Fall auf Markus Hess aus Hannover zurückzuführen. Am 23. Juli 1987 wurde Hess Wohnung in Hannover durchsucht.5Stoll hat sein Vorgehen beim Aufspüren des Eindringlings zunächst als Artikel veröffentlicht, vgl. Clifford Stoll: Stalking the Wily Hacker. In: Communications of the ACM 5/31 (Mai 1988), S. 484-500. Später hat er die Geschichte vor allem in Deutschland als sehr erfolgreiches Buch veröffentlicht: Stoll: Kuckuksei.

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Der Chaos Computer Club 1984: erste Datenschleudern und das 64`er-Interview

Der folgende Text ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Tagen. Alle bereits veröffentlichten Teile sind hier zu finden.

hacker-hymne
Die Hacker-Hymne aus der Datenschleuder 1/1984. Die deutsche Übersetzung erschien so auch schon auf der Hacker-Doppelseite in der taz.

Die erste Datenschleuder war im Format ihrem Vorbild TAP nachempfunden und bestand aus vier Din-A4-Seiten. Ein Grund für dieses Format war, dass die Zeitschrift so leichter mit einem Kopierer vervielfältigt werden konnte, wozu im Impressum ausdrücklich aufgefordert wurde.1Im Impressum der ersten Datenschleuder heißt es hierzu: „Verbreitung der Zeitung erfolgt durch Versand/Abo (Kettenbrief), Aushang in Computershops, Waschsalons, Unis, schwarzen Brettern, Innenseiten von Klotüren und – besonders wichtig – über Fotokopierern. Sehen, kopieren, verbreiten – auf eigene Gefahr. (…) ViSdP für Fotokopien ist der Fotokopierende! Bitte Namen über den des vorher Verantwortlichen schreiben!“ Impressum. In: Die Datenschleuder 1, Februar 1984, S. 1. Auch in: Hackerbibel 1, S. 135.

Die erste Ausgabe diente vor allem dazu, den Chaos Computer Club vorzustellen. Ein Manifest, das Wau Holland dafür verfasste, trägt schlicht den Titel „Der Chaos Computer Club stellt sich vor“. Darin heißt es über den Club:

„Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Vereinigung ohne feste Strukturen.
Nach uns die Zukunft: vielfältig und abwechslungsreich durch Ausbildung und Praxis im richtigen Umgang mit Computern wird oft auch als „hacking“ bezeichnet)[sic!].
Wir verwirklichen soweit wie möglich das ›neue‹ Menschenrecht auf zumindest weltweiten freien, unbehinderten und nicht kontrollierbaren Informationsaustausch (Freiheit für die Daten) unter ausnahmslos allen Menschen und anderen intelligenten Lebewesen.
Computer sind dabei eine nicht wieder abschaffbare Voraussetzung. Computer sind Spiel-, Werk- und Denk-Zeug: vor allem aber: ›das wichtigste neue Medium‹. Zur Erklärung: Jahrhunderte nach den ›Print‹-Medien wie Büchern, Zeitschriften und Zeitungen entständen Medien zur globalen Verbreitung von Bild und Ton; also Foto, Film, Radio und Fernsehen. Das entscheidende heutige neue Medium ist der Computer. Mit seiner Hilfe lassen sich Informationen ›über alles denkbare‹ in dieser Galaxis übermitteln und – kraft des Verstandes – wird neues geschaffen. Die zur Verbreitung benutzten Techniken sind demgegenüber untergeordnet.“2Der Chaos Computer Club stellt sich vor. In: Die Datenschleuder 1, Februar 1984, S. 3. Auch in: Hackerbibel 1, S. 137.

Der Computer wird in dieser Erklärung als Medium und nicht als ein Rechengerät begriffen. Der Club stellt sich damit in die Tradition der Videobewegung der siebziger Jahre, und die Forderung nach einem „nicht kontrollierbaren Informationsaustausch […] unter […] allen Menschen“[3. Der Chaos Computer Club stellt sich vor.] stellte eine Weiterentwicklung der von der Video- und Medienbewegung aufgestellten Forderung nach Gegenöffentlichkeit dar. Durch den Computer würden dem Manifest zufolge immer mehr Bereiche miteinander verbunden, die damit einhergehende ortsungebundene Verfügbarkeit von Informationen würde ein Medium von grundlegend neuer Qualität hervorbringen:

„Alle bisher bestehenden Medien werden immer mehr vernetzt durch Computer. Diese Verbindung schafft eine neue Medien-Qualität. Es gibt bisher keinen besseren Namen für dieses neue Medium als Computer.
Wir verwenden dieses neue Medium – mindestens – ebenso (un)kritisch wie die alten. Wir stinken an gegen die Angst- und Verdummungspolitik in Bezug auf Computer sowie die Zensurmaßnahmen von internationalen Konzernen, Postmonopolen und Regierungen.“3Der Chaos Computer Club stellt sich vor.

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