Bildschirmtext – keine Erfolgsgeschichte der 1980er Jahre

16. Juli 2013 @ 17:58

Dies ist Teil drei einer losen Serie zum (historischen) Bildschirmtext (Btx) der Deutschen Bundespost, ausgelöst durch und in Ergänzung zu Michael Schmalenstroers Blogpost zur “Telekom und der Geist des Bildschirmtextes”. Teil 1 zur Netzneutralität bei Btx. Teil 2 zur Entwicklungsgeschichte von Btx.

Grundlage ist im Wesentlichen das Buch von Volker Schneider über “Technikentwicklung zwischen Politik und Markt. Der Fall Bildschirmtext” von 1989. Es enthält auf den Seiten 69-167 die beste Schilderung der Entstehung und Entwicklung von Btx von der britischen Idee des “Viewdata” zu Beginn der 1979er bis zum Jahr 1989, die mir bislang zwischen die Finger gekommen ist.

Fernseher mit Btx-Logo
Fernseher mit Btx-Logo

Die ursprüngliche Idee von Bildschirmtext, die zu Beginn der 1970er bei der britischen Post unter dem Namen Viewdata entwickelt wurde, war die Verbindung des Fernsehers mit dem Telefonnetz. Der Telefonanschluss sollte mit einem Modem ausgestattet werden, an das ein Btx-fähiger Fernseher oder ein zusätzlicher Decoder angeschlossen werden sollte. Während das Modem von der Bundespost als Teil des Telefonnetzes betrachtet und nur vermietet wurde (wie damals auch Telefone), wurde der Decoder dem Kunden und dem freien Markt überlassen. Dies kam damals fast schon einer Revolution auf dem ansonsten fast vollständig von der Bundespost und ihren Hauslieferanten kontrollierten Markt der Telekommunikationsgeräte gleich. Durch den freien Markt erhoffte sich die Post eine größere Auswahl an btx-fähigen Geräten und insbesondere niedrige Preise. Außerdem sollte so der deutschen Elektronikbranche einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der Ende der 1970er Jahre immer stärker gefürchteten japanischen Konkurrenz verschafft werden.

Alle Prognosen zur Entwicklung von Btx gingen von einer massenhaften Nachfrage aus. Der Bundespost war bereits in der Planungsphase klar, dass die Massennachfrage nach Btx nur dann eintreten werde, wenn die Endgeräte zu einem erschwinglichen Preis verfügbar sind. Die große Stückzahl der benötigten Endgeräte sollte eine günstige Großserienproduktion möglich machen. Die dadurch immer niedriger werden Preise von Endgeräten sollten wiederum die Nachfrage nach Btx noch weiter anheizen. Die Logik dahinter sah ungefähr so aus: Wenn Btx ein Massenerfolg wird, wird Btx ein Massenerfolg. Was soll da schon schiefgehen! Die Post war sich mit ihren Planungen sogar so sicher, dass sie bereits 1981 400.000 Modems in Auftrag gab, um den erwarteten Ansturm nach einem Btx-Anschluss auch befriedigen zu können.

Nur, dieser Massenansturm blieb aus. Als Btx nach einigem Hickhack um medienrechtliche (Rundfunk oder Telekommunikation?) und Standardisierungsfragen (der aufwendigere CEPT-Standard konnte sich nicht zuletzt auch wegen seiner werbefreundlicheren Grafikeigenschaften gegen den einfacheren Prestel-Standard durchsetzen), im Herbst 1983 an den Start ging, gab es zunächst zwar einen kleinen Boom von gewerblichen Kunden, die große Nachfrage von privaten Haushalten blieb aber aus. Hierdurch wurden aber alle Prognosen hinfällig und der Endgerätemarkt entwickelte sich nicht wie erhofft, die zunächst wenigen erhältlichen Decoder kosteten 1983/1984 noch deutlich über 1.000 DM. Statt eines Massenmediums war Btx damit zu einem Luxusgut geworden. Die ständige Beteuerung der Post, es werde bald Btx-Endgeräte für weniger als 300 DM geben, dürfte zusätzlich die Nachfrage nach teureren Geräten gebremst haben. Zwar fielen die Preise im Laufe der 1980er und kamen bereits 1987 dicht an die „magische“ 300DM Grenze, aber dennoch wurde Btx nicht zu einem Massenmedium. Statt wie 1983 prognostiziert gab es 1988 keine 2 Millionen Btx-Anschlüsse, sondern nur 150.000. Und von den 400.000 Modems waren 1987 noch immer 320.000 Modems eingelagert, wie eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag offenbarte.

Während das ursprüngliche Konzept von Btx als einen Dienst für das Fernsehgerät ausging, brachte der Heimcomputerboom der 1980er einige zusätzliche Nutzer. Waren zunächst auch noch teure Hardwaredecoder notwendig, um Btx-Seiten auf einem Heimcomputer anzuzeigen, ermöglichten immer schnellere Rechner bald auch die Emulation des Decoders in Software. Trotzdem, so meint zumindest Schneider, hatte der Heimcomputer eine negative Auswirkung auf Btx. Viele Dienste, die noch in den 1970er nur auf Großrechnern liefen und über Btx zugänglich gemacht werden sollten, konnten nun direkt zu Hause oder im Büro durchgeführt werden. VisiCalc, Lotus 1-2-3 und später auch Excel haben gewissermaßen den Bedarf nach Datenfernübertragung in Rechenzentren ersetzt, und Spiele auf dem Heimcomputer standen in klarer Konkurrenz zu „Telespielen“ über Btx.

Um ihre Milliardeninvestitionen zumindest teilweise zu refinanzieren, verstärkte die Bundespost in der zweiten Hälfte der 1980er ihr Marketing für Btx. Dem Bemühen um private Kunden haben wir unter anderem diese Perle des Werbefernsehens der 1980er zu verdanken:

Dennoch blieb Btx in den Achtziger Jahren ein Nischenprodukt, lediglich im professionellen und semiprofessionellen Bereich erfreute es sich einer gewissen Nutzung, da es insbesondere bei gelegentlicher Nutzung deutlich günstiger als „richtige“ Datenübertragung war, worunter in den 1980er vor allem X.25-Netze, also Datex-P verstanden wurde. Etwa für Journalisten, Reisebüros oder Juristen waren Datenbankabfragen über Btx oftmals die einfachste Möglichkeit, um schnell an gesuchte Informationen zu gelangen. Um diesen Bereich noch stärker zu adressieren, änderte die Bundespost sogar ihre Endgerätepolitik. Durch die Kombination von Telefonen mit Btx-Terminals, sogenannten MultiTels, begann die Bundespost gegen Ende der 1980er sogar damit, selber Btx-Endgeräte zu vermieten.

Eine Kombination aus Telefon und BTX-Terminal, das so genannte „Multifunktionale Telefon 12“ Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Btx_device.jpg

Trotz all dieser Versuche, Btx zu einem Massenerfolg zu machen, blieb ein „Btx-Boom“ in den 1980ern aus. Der Dienst war für die meisten Menschen vermutlich einfach zu unattraktiv, um teilweise mehr als 1.000 DM für ein Endgerät und noch mal 8 DM monatlich für das Modem auszugeben, nur, um zusätzlich noch für das Betrachten bestimmter Seiten zu bezahlen. Hier waren schon in den 1980ern private Mailboxen teilweise deutlich interessanter und vor allem auch offener.

Erst, als Btx zu Beginn der 1990er in Datex-J umbenannt und schließlich Teil von T-Online wurde, kam im Zuge des Internetbooms der 1990er das bereits 10 Jahre zuvor erwartete Massenwachstum von Onlinediensten. Gegenüber dem offenen Internet spielte dabei Btx aber nur noch eine marginale Rolle, etwa beim Onlinebanking. Da beim Softwarepaket von T-Online auch ein Btx-Emulator dabei war, konnte auch ich 1998 noch einen Blick auf Btx erhaschen. Nach zwei oder drei Versuchen hab ich dann aber doch lieber Mozilla installiert und mich in den Weiten des WWWs verloren. Die Geschichte des Internets und des Webs ist aber eine andere ganz Geschichte …

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