Netzneutralität bei Btx

30. April 2013 @ 16:01
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Briefmarke von 1979 zu Btx. Quelle

Dies ist Teil eins einer losen Serie zum (historischen) Bildschirmtext der Deutschen Bundespost, ausgelöst durch und in Ergänzung zu Michael Schmalenstroers Post zur “Telekom und der Geist des Bildschirmtextes”. Teil 2 zur Entstehung von Btx.

Letzte Woche hat der von mir sehr geschätzte Michael Schmalenstroer einen Blogpost über den die aktuellen Pläne der Telekom veröffentlicht, ihren „Internetzugang“ durch Drosselung wieder mehr in Richtung des alten Bildschirmtext (Btx) zu entwickeln. Da ich mich selber gerade mit dem Thema Btx beschäftige und Quellenlektüre betreibe, möchte ich den Artikel von Michael Schmalenstroer in einem Punkt ergänzen: Bei Btx war die Bundespost zumindest in Teilen „moderner“ als die Telekom heute und hat eine Art Netzneutralität gewährleistet – bzw. die derzeit öfters geforderte Trennung von Netz und Inhalt.

Grundlage meiner derzeitigen Kenntnisse über Btx ist Volker Schneiders Buch aus dem Jahr 1989 über „Technikentwicklung zwischen Politik und Markt. Der Fall Bildschirmtext“. Es enthält auf den Seiten 69-167 die beste Schilderung der Entstehung und Entwicklung von Btx von der britischen Idee des „Viewdata“ zu Beginn der 1979er bis zum Jahr 1989, die mir bislang bekannt ist. Wer immer sich über die Geschichte von Btx informieren möchte, kommt an diesem Werk nicht vorbei. Vielleicht werde ich in den kommenden Wochen noch ein wenig mehr zur Entwicklungsgeschichte von Btx bloggen, etwa zum Einfluss der Wirtschafts auf die Gestaltung von Btx oder zur fatalen Endgerätepolitik der Bundespost. Aber nun erst mal zum Aspekt der Netzneutralität bei Btx.

Bildschirmtrix
Nicht das offizielle Logo von Btx.

Bereits die britische Post hat sich bei den ersten Entwürfen ihres „Btx“, dass den Namen „Viewdata“ trug (und das später als „Prestel“ vermarktet wurde) auf ein „common-carrier“-Prinzip festgelegt. Dies bedeutet, dass die britische Post nur die Infrastruktur (Leitungen und Server) zur Verfügung stellte, aber selber keine eigenen Informationen anbot. Außerdem stellte sie diese Infrastruktur jeden zur Verfügung, der sich an das Gesetz hielt und die Gebühren bezahlte (Schneider, S. 76). Inwieweit diese Regelung auch eine gesetzliche Grundlage hatte, kann ich derzeit noch nicht sagen.

Als die Deutsche Bundespost 1977 auch konkreten Überlegungen zur Einführung eines ähnlichen Services hegte, sah sie sich einem dichten Gestrüpp aus ökonomischen und politischen Interessen gegenüber. Die Presseverleger fürchteten durch die neue „Bildschirmzeitung“ um ihre Pfründe etwa im Bereich der Kleinanzeigen oder bei den Werbebudgets. Auch die Senkung der Markteintrittsschwellen für branchenfremde wurde als Gefahr angesehen. Doch anstatt das entstehende neue Medium deswegen zu bekämpfen, entschied sie die bundesdeutsche Presse, frühzeitig auf seine Gestaltung einzuwirken. (Schneider, S. 81f.)

Parallel zur Konzeptionierung von Btx wurde in den 1970er heftig über die Einführung von Privatrundfunk und Kabelfernsehen in der Bundesrepublik gerungen. Die Verkabelung der Republik unter dem Monopol der Bundespost wurde von der Medienbranche als Indiz dafür gedeutet, dass die Bundespost beabsichtigte sich stärker im Medienbereich zu engagieren (Schneider, S. 85). Die zur Klärung solcher medienpolitischen Fragen eingesetzte „Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems“ (KtK) hatte 1975 in ihren Abschlussbericht an eine generelle Trennung von Netz und Nutzung appelliert. Auf dieser Grundlage legte sich die Bundespost im Frühjahr 1977 fest, bei Btx nicht selber als Informationsanbieter zu agieren, sondern nur die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, neben den Leitungen umfasste dies auch die zentralen Rechner, auf denen die Anbieter ihre Informationen speichern konnten. (Schneider, S. 95)

Die Trennung von Infrastruktur und Inhalten wurde in den Feldversuchen 1980/81 und nach der rumpeligen Einführung von Btx 1983/84 auch konsequent durchgehalten. Während das französische Pendant zu Btx, Minitel, sich als moderner Ersatz des gedruckten Telefonbuches durchsetzen konnte (und durch porn innovative Dienste sowie einer anderen Endgerätepolitik), tat sich die Post in diesem Bereich schwer. Um das Trennungsgebot einzuhalten, wollte die Bundespost die elektronische Telefonauskunft nicht selber betreiben, sondern beauftragte 1985 den Telefonbuchverlag damit. Dies führte dazu, dass der Bestand des gedruckten Telefonbuches zumindest zu Beginn aktueller war als die elektronische Datenbank, da diese noch über den analogen Weg, also Mikrofiches, aktualisiert wurde. (Schneider, S. 165) Zukunft sah auch in den Achtzigern irgendwie anders aus.

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