Die Auseinandersetzungen mit den elektronischen Schnüffeleien des Bundeskriminalamtes und der Verfassungsschutzbehörden sind deutlich älter als die Debatte um den Bundestrojaner (2011) oder den Großen Lauschangriff (1995). Bereits Ende der 1970er wurde befürchtet, dass die Sicherheitsbehörden mit Hilfe von Computern nun erstmalig dazu in der Lage seien, einen großen Teil der Bevölkerung systematisch zu überwachen und zu „verdaten“.
Der folgende Text zu dem Thema ist ein Auszug aus meiner geschichtswissenschaftlichen Masterarbeit mit dem Thema “Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren” (PDF|ePub). Weitere Auszüge folgen in den nächsten Wochen.
In einer siebenteiligen Serie mit dem Titel „Das Stahlnetz stülpt sich über uns“1Vgl. (Jochen Bölsche): SPIEGEL-Serie „Das Stahlnetz stülpt sich über uns“. Die westdeutschen Polizei- und Geheimdienstcomputer. (I) In: DER SPIEGEL 18/1979, S. 24-29; (II) In: DER SPIEGEL 19/1979, S. 36-56; (III) In: DER SPIEGEL 20/1979, S. 36-57; (IV) In: DER SPIEGEL 21/1979, S. 67-87; (V) In: DER SPIEGEL 22/1979, S. 72-94; (VI) In: DER SPIEGEL 23/1979, S. 38-54; (VII) In: DER SPIEGEL 24/1979, S. 34-57. berichtete DER SPIEGEL im Sommer 1979 umfangreich über die neuen Formen der elektronischen Datensammlung, Überwachung und Fahndung sowie über die damit verbundenen Ängste. Die vom SPIEGEL-Redakteur Jochen Bölsche verfasste Serie kann für die Debatte über elektronische Überwachung und den Gefahren eines hemmungslosen Computereinsatzes als sehr einflussreich angesehen werden, da sie einen größeren Leserkreis erstmals ausführlich über die schon vorhandene oder geplanten elektronischen Überwachungsmaßnahmen aufklärte.
Angereichert mit Stellungnahmen von Datenschützern, Polizisten und Politikern erschien die Reportage bereits im September 1979 auch als Buch.2 Vgl. Jochen Bölsche: Der Weg in den Überwachungsstaat. Reinbek 1979. Im Vorwort schrieb Bölsche dort: „Wer die Bundesrepublik des Jahres 1979 als perfekten Überwachungsstaat darstellt, redet ihn herbei.“3Bölsche: Überwachungsstaat, S. 9. Aber: „Wer nicht verharmlosen will, muß auf all die vielen schon heute sichtbaren Tendenzen hinweisen, die – wenn sie nicht gestoppt werden – die Bundesrepublik eines Tages in der Tat in einen totalitären Überwachungsstaat verwandeln können.“4 Bölsche: Überwachungsstaat, S. 9. Im Folgenden wird daher die SPIEGEL-Serie als Beispiel für die befürchteten Möglichkeiten und Auswirkungen einer computergestützten Überwachung herangezogen, nicht aber für die 1979 tatsächlich praktizierten Maßnahmen.